Mit drei Medaillen ins letzte Schuljahr

Wasserspringen 16.09.2014

Tina Punzel kann ihren EM-Erfolg von Berlin nur kurz genießen und soll nun umsatteln.

Ihren letzten Sprung bei der Europameisterschaft tauchte sie am Sonntagabend ins Berliner Wasser, der Ferienflieger hob bereits am Montagvormittag ab. Da blieben nur wenige Stunden für Schlaf und einen schnellen Taschenwechsel. Der Zeitplan war eng gestrickt, musste er aber auch sein, sonst wäre aus einem Kurzurlaub ein Miniurlaub geworden. Der Start ins neue Schuljahr ließ keine Spielräume.

Sieben Tage auf Kreta waren „eigentlich zu wenig“, findet Tina Punzel rückblickend. „Als ich mich runtergefahren hatte und die Erholungsphase begann, ging es auch schon wieder zurück“, erzählt die 19-jährige Dresdnerin. Wenn es diese Kategorie gäbe, wären sie und ihr Berliner Freund Oliver Homuth das deutsche Wassersprung-Traumpaar. Auf der griechischen Insel jedoch waren sie komplett außer Dienst. „Wenn wir in den Pool wollten, haben wir die Treppe benutzt“, erzählt sie. „Da hineinzuspringen hat uns überhaupt nicht gereizt.“

In den Wochen und Monaten zuvor, der Vorbereitung auf die EM, musste sich Tina Punzel täglich immer und immer wieder ins Wasser stürzen. Die Titelkämpfe in Berlin waren der Höhepunkt – vor allem in Sachen Stress. Vier Wettbewerbe in sieben Tagen, da kommt inklusive der Vorkämpfe, Interviews, Siegerehrungen und Pressekonferenzen einiges zusammen. „Deshalb wollten wir uns im Urlaub einfach nur erholen.“

Mit drei Medaillen fiel die EM-Ausbeute nahezu optimal aus. Lediglich vom Dreimeter-Brett sprang sie am Podest vorbei, wurde Vierte. „Mit ein bisschen Abstand bin ich dennoch zufrieden. Bei dieser Vorgeschichte hätte es auch ganz anders laufen können“, sagt sie. Die Vorgeschichte waren hartnäckige Rückenschmerzen, wodurch sie wochenlang kaum oder nur eingeschränkt trainieren konnte. „Trotzdem ärgere ich mich auch ein bisschen, weil die Siegerin vom Dreimeter-Brett mit einer Punktzahl gewann, die ich auch schaffen kann.“ Ihren Freund traf es ungleich härter, er trat nur in einem Wettbewerb an und wurde da Fünfter.

Es spricht für ihren Ehrgeiz, wenn sich Tina Punzel an der einen vergebenen Chance stört, andererseits ist das Medaillen-Trio keine Selbstverständlichkeit. Schließlich war es erst ihre zweite EM. Bei ihrem Debüt vor einem Jahr in Rostock wurde sie völlig überraschend Europameisterin, schlug in einem dramatischen Wettkampf die dominierende Italienerin Tania Cagnotto und schaffte es damit sogar in die 20-Uhr-Tagessschau. Auch wenn die Springerin vom Dresdner SC diesen Titel nicht verteidigen konnte – mit der Berliner EM hat sie sich endgültig in der europäischen Spitze etabliert.

Zur Weltspitze ist es aber noch ein Stück. Das musste sie bei der WM im vergangenen Jahr in Barcelona erleben, als sie vom Dreimeter-Brett sowohl im Einzel wie auch im Synchron-Wettbewerb mit ihrer damaligen Partnerin Kieu Duong das Finale verpasste und jeweils 13. wurde. Nur vom nichtolympischen Einmeter-Brett kam sie auf Platz sechs.

„Besser als damals sollte es beim nächsten Mal auf jeden Fall laufen“, hofft sie. Es wäre ganz in ihrem eigenen Interesse. Denn bei der WM in knapp einem Jahr im russischen Kasan werden die Quotenplätze für die Olympischen Spiele in Rio vergeben. Es wären ihre ersten.

Olympia ist für eine Randsportart wie das Wasserspringen überlebenswichtig. Deshalb bastelt Bundestrainer Lutz Buschkow bereits am optimalen Einsatzplan. Der sieht im Fall Punzel eine gravierende Änderung vor: Buschkow möchte die derzeit erfolgreichste deutsche Wasserspringerin gerne auf den Zehnmeter-Turm umleiten. Dort gibt es kein konkurrenzfähiges Paar und im Einzel mit der Berlinerin Maria Kurjo eine Alleinunterhalterin – also einen Engpass. Offiziell verkünden wollte der Bundestrainer seinen Vorschlag noch nicht, Ende Oktober will er sich mit der Betroffenen unterhalten.

Die ist nicht sonderlich angetan von der geplanten Umbesetzung. „Ich habe ein bisschen Sorge, dass mein Brettspringen darunter leiden könnte“, erklärt Punzel. Drei Turmsprünge beherrscht sie bereits, zwei müsste sie noch lernen. „Mein Wettkampfkalender ist dann noch voller.“ Es wäre auch körperlich eine enorme Belastung.

Zumal in die WM-Vorbereitung die Abi-Prüfungen fallen. Vor zweieinhalb Wochen begann am Sportgymnasium ihr letztes Schuljahr – und fast zeitgleich das neue Trainingsjahr. Nach einem viel zu kurzen Urlaub.

SZ vom 16.09.2015

Maximal strecken muss sich Tina Punzel auch für Olympia 2016. Foto: dpa/Maja Hitij

Maximal strecken muss sich Tina Punzel auch für Olympia 2016. Foto: dpa/Maja Hitij


Silber, eingerahmt von Doppel-Bronze: Die drei Medaillen von der EM hängt Tina Punzel zu den anderen an ihr Bett. Foto: Sven Ellger

Silber, eingerahmt von Doppel-Bronze: Die drei Medaillen von der EM hängt Tina Punzel zu den anderen an ihr Bett. Foto: Sven Ellger

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