Die Sportpsychologie sichert das Betriebssystem des Sportlers

Wasserspringen 26.06.2014

Pasha Rozenberg war einer der besten deutschen Wasserspringer. 2012 beendete er seine Karriere. Beginnend mit den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde er als Mitglied der Olympia-Mannschaft von Prof. Dr. Oliver Stoll sportpsychologisch begleitet. Mittlerweile lebt und arbeitet Pasha Rozenberg in der Schweiz. Für die-sportpsychologen.de berichtet Pasha Rozenberg

Vor zwei Jahren habe ich mit dem Leistungssport aufgehört. Inzwischen bin ich 31 Jahre jung und habe davon 22 Jahre Wasserspringen betrieben.

Früher oder später erlebt jeder Sportler die Bedeutung des Wortes Psychologie im Zusammenhang mit der sportlichen Leistung, also die Sportpsychologie. In meinem Fall ist dies bereits im Alter zwischen 14 und 15 passiert. Mein Vater, der gleichzeitig mit Trainer war, hat mir vom Autogenen Training erzählt. Er zeigte mir dann einen Artikel, auf dessen Grundlage ich üben sollte. Ich habe dann versucht, die eine oder andere Technik des Autogenen Trainings anzuwenden, was mit relativ leicht gelangen. Sich zu entspannen, mal die Wärme von einer Extremität zur anderen wandern lassen, die Atmung „zu beobachten“, sich vorzustellen, wie eine Extremität schwerer wird als die andere und so weiter.

Leider wurde mir dies irgendwann langweilig und ich habe es sein lassen. Nichtsdestotrotz habe ich, ohne es wahrzunehmen, weiter die Elemente der Sportpsychologie im alltäglichen Training geübt und verbessert. So bin ich allein darauf gekommen, mit Schlüsselwörtern zu arbeiten. Die erwachsenen Sportler haben mir immer gesagt, ich solle mir vor dem Sprung, den Sprung im Kopf vorstellen – allerdings sagten sie mir nicht, wie ich das anstellen könne. Irgendwann war ich dann nicht nur in der Lage, mir den Sprung mental vorzustellen, sondern auch die Schwerkraft dabei zu fühlen. Die Vorstellungen waren so real, dass ich auch manchmal außerhalb des Schwimmbades trainieren konnte.

Kurze Kommandos

Nun zu den Schlüsselwörtern: Das waren gezielte und lautlose Kommandos zu mir selbst, quasi zur Beachtung der technischen Elementen des Sprunges. Mein Trainer hat mir immer wieder irgendwelche Fehler genannt. Aber die Sätze waren viel zu lang, um sie im Kopf während oder vor der Imitation mir selbst anzusagen, also habe ich die Anweisungen immer abgekürzt, bis aus einem Satz ein Wort geworden ist.  So wurde zum Beispiel aus dem Satz: „Während des Absprungs Arme schneller nach oben führen“ ein einfaches „Arme“.

Die Kommandos habe ich mir sowohl bei der mentalen Sprungvorstellung gegeben als auch im realen Sprung. Sie waren kurz und haben mich ganz genau daran erinnert und darauf hingewiesen, was ich machen sollte.  Das war so wie ein Step-by-Step-Ablauf, nach einer Bewegung folgt die andere, nach einem Kommando folgt das andere. Nichts ging durcheinander. Das hört sich zwar etwas komisch an, aber wenn die Bewegungsabläufe sehr komplex sind, ist es sehr wichtig, die bestimmte Reihenfolge zu beachten. Die Selbstinstruktionen haben mir dabei sehr geholfen.

Als Sportler habe ich bei den mentalen Imitationen und Vorstellungen immer aus der Perspektive der ersten Person gearbeitet. Es gibt auch sehr viele, die dies aus der Dritten Person tun. Ich kann nicht sagen, was mehr oder weniger effektiv ist – hier sollte jeder Sportler das bevorzugen, womit er sich wohler fühlt.

Hilfreiche Selbstgespräche

Zudem haben mir Selbstgespräche sehr geholfen. Wenn ich mir den Ablauf (sei es im Sportlerleben oder privat) einer Handlung logisch nachvollziehbar erklären konnte, hat es mir sehr viel innere Ruhe gegeben und ich konnte mich viel besser auf den Prozess fokussieren. Also Selbstinstruktionen/-gespräche habe ich intuitiv irgendwann im Trainingsprozess eingeführt und dann täglich benutzt. Besonders, wenn ich in schlechter Form war, musste ich die Instruktionen sehr präzise geben.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Sportpsychologie in allen Belangen und in jedem einzelnen Detail ein sehr mächtiges und sogar notwendiges Werkzeug ist. Dazu kommt mir ein Vergleich in den Sinn: Ein PC kann einen aktuellen und schnellen Prozessor und einen riesigen Speicher haben. Aber wenn das Betriebssystem wacklig ist, können wir vom PC nicht profitieren. Wir würden also versuchen, ihn zu reparieren, ohne genau zu wissen, wo das ursächliche Problem liegt.

Die Sportpsychologie ist ein Werkzeug, dass das Betriebssystem einer Sportlers in einen optimalen und leistungsfähigen Zustand bringt. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Teil  des Mechanismus ausfällt. Aus meiner Sicht sollte ein Sportler sich sowohl physisch, technisch als auch mental (psychisch) entwickeln – je ausgewogener dieses Dreieck ist, desto großer sind am Ende die Siegchancen.

 

Erfolge:

 

 

Mehrfacher Deutscher Meister; 5. und 6. Platz bei den Olympischen Spielen in Beijing; Bronze Medaille Europameisterschaften 1m; Bronze Medaille Weltmeisterschaften 1m; Mehrfache Medaillen International Diving Grand Prix

 

 

Quelle: www.die-sportpsychologen.de/2014/06/25/pasha-rozenberg-die-sportpsychologie-sichert-das-betriebssystem-des-sportlers/

 

 

 

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